Sehr geehrter Herr Montanari. Ich habe das Buch „Als ich nach Deutschland kam“ gelesen und ich habe es sehr interessant gefunden. Wie sich die Geschichte doch wiederholt! Wir schreiben nicht das Jahr 1955 und ich bin kein „Gastarbeiter „ der nach Deutschland gekommen ist und ich spreche auch keine andere Sprache. Ich bin Deutsche und trotzdem habe ich die Erfahrung, der Vorurteile , der Benachteiligung wenn auch anders aber ähnlich wie die Menschen aus Italien erlebt.
Ich bin Ostdeutsche.
Wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass mir viele Menschen begegnet sind, die sich aufrichtig gefreut haben über die Öffnung der Grenze, die sich gefreut haben, dass wir wieder „ ein Volk „ sind . Aber es gab auch viele andere Erfahrungen, die oftmals nicht bös gemeint aber aus der Unwissenheit über uns entstanden sind . Ich kann mich noch gut an unseren ersten Besuch in der Bundesrepublik erinnern. Wir waren zu einer Zeit angekommen als die Leute ins Büro gingen. Eine Frau holte eine Banane aus der Tasche und gab sie meinem Sohn mit den Worten: ,,dass ihr Kind mal weiß wie eine Banane schmeckt."
Ich hab mich bedankt und musste innerlich lächeln. Auch wenn bei uns Bananen nicht täglich zu bekommen waren, so wussten wir doch wie sie schmecken und auch mein Sohn, der gerade mal ein 1 ½ Jahr alt war wusste, was eine Banane ist . In einem anderen Gespräch wurde ich gefragt, wie wir wohnen, ob wir Warmwasser hätten und ein Badezimmer. Die Vorstellungen über unser Leben in der DDR muss wohl für manchen Bürger der BRD sehr „exotisch„ gewesen sein . Besonders in Erinnerung ist mir ein Erlebnis in einem Kaufhaus geblieben.
Ich stand vor einem Regal mit Weihnachtsartikeln, als plötzlich eine Stimme hinter mir sagte, na junge Frau, da staunen sie, was es bei uns alles schönes zu kaufen gibt. Ich drehte mich um und antwortete, ja da haben sie Recht ich habe gerade die Dinge bewundert, die nur wenige Kilometer von mir entfernt in meiner Heimat hergestellt wurden sind. Dem Mann war die Situation sichtlich peinlich . Das waren Eindrücke, die mich zum Schmunzeln brachten, später folgten jedoch Erlebnisse, die weniger angenehm waren. Das war die Zeit, in der die Euphorie vorüber war. Ich hatte meinen Job verloren, hatte mich auf dem Arbeitsamt gemeldet und nach einer Weiterbildung gefragt.
Als ein Mann, der aus dem westlichen Teil Deutschlands stammte, mir mit einem Lächeln aber doch mit Bestimmtheit sagte, ich solle mich doch nach einem Bürojob umsehen und die Technik den Männern überlassen und überhaupt sei ich doch eine Frau mit einem kleinen Kind . I ch gehöre zu einer Generation für die es normal war, Familie, Arbeit und Karriere unter einem Hut zu bringen und das ich in mehr als 20 Jahren bewiesen hatte und plötzlich wurde mir dieses Wissen, dieses Können über Nacht abgesprochen.
Ich war ja nur eine Frau und dazu noch aus dem Osten, auch wenn es keiner ausgesprochen hatte, zwischen den Zeilen konnte ich es deutlich hören . Dann kam die Zeit des Frustes, als immer lauter wurde , dass wir im Osten dem Steuerzahler doch nur einen Haufen Geld kosten. Dabei liesen die meisten aber unerwähnt welchen wirtschaftlichen Aufschwung wir gebracht hatten. Es war ein riesiger Markt , eine riesige Nachfrage entstanden, die befriedigt werden musste oder besser gesagt werden konnte . Wir haben alles neue aufgesaugt wie ein Schwamm, haben gebrauchte Autos gekauft für überhöhte Preise haben die Geschäfte mit elektronischen Artikeln regelrecht leer gekauft.
Welchen wirtschaftlichen Boom wir dem Mittelstand, dem Einzelhandel gebracht haben blieb wie gesagt von den meisten unerwähnt. Auch dass unser Verdienst in vielen Bereichen für die gleiche Arbeit unter dem des westlichen Niveaus liegt ist eine Tatsache, die sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern wird. Schon allein, dass die Begriffe „neue Bundesländer„ oder „Ossis„ nach zwanzig Jahren wiedervereinten Deutschlands nicht aus unserem Wortschatz gestrichen sind zeigt mir, dass eine vollkommene Integration noch nicht vollzogen ist und in den Köpfen mancher wohl auch nie vollzogen wird.
Ich möchte zum Schluss noch einmal betonen, dass mir viele Menschen begegnet sind, die uns als Deutsche sehen und sich aufrichtig über ein gesamtes Deutschland freuen aber mir auch immer wieder Menschen begegnen, die uns wohl lieber wieder hinter dieser Mauer sehen würden. Es ist nur eine kleine Aufzählung von Erlebnissen aber sie machen wohl deutlich, dass es eine Grundsatzfrage ist, dass man nicht Ausländer sein muss um Ablehnung und Vorurteile zu erfahren sondern es genügt schon „anders„ zu sein, andere Wertvorstellungen zu haben oder nur in einem anderen Teil Deutschlands geboren zu sein