Ildikó Szabó. Foto di ©Peter Kiss

Mit gerade 27 Jahren ist Ildikó Szabó in ihrem Heimatland Ungarn bereits eine cellistische Institution. Ihre regelrechte Wunderkind-Laufbahn hat sie mittlerweile in eine außergewöhnliche internationale Virtuosen-Karriere transformiert. So wurde sie im Jahr 2014 beim Internationalen Pablo Casals Wettbewerb mit dem 2. Preis, dem Publikumspreis und 7 Sonderpreisen ausgezeichnet. Szabós besondere Leidenschaft und Kompetenz gelten dabei dem ungarischen und siebenbürgischen Repertoire– wobei persönliche Beziehungen etwa zu György Kurtág oder Péter Eötvös maximale Authentizität versprechen.

Die erste CD haben Sie schon mit 14 Jahren herausgebracht. Wie haben Sie sich damals gefühlt? Wie betrachten Sie dieses Werk jetzt? Mit anderen Augen?

Ich war von Anfang an absolut begeistert. Vor dieser Studioarbeit habe ich schon eine „Prüfung“ im Ungarischen Rundfunk bestanden: damals musste man eine Aufnahme abliefern, um Erlaubnis zu bekommen live-übertragene Konzerte zu spielen. Das ist nicht mehr so. Aber dank dieser Erfahrung war die CD-Aufnahme nicht meine erste Begegnung mit Mikrophonen und mit dem roten Aufnahmelicht. Es war eine sehr wichtige Zeit – zum einen habe ich mich für immer in die Studioarbeit verliebt. Zudem war es eine Herausforderung, in diesem jungen Alter ein ganzes CD-Programm zu beherrschen. Die meisten Stücke waren technisch anspruchsvolle virtuose Zugaben. Schließlich wurde mir klar, dass ich alles über das Cellospielen wissen möchte. Viele haben gar nicht geglaubt, dass ich da wirklich 14 bin, es ist ja nicht auf dem Cover zu lesen. Heute denke ich, dass es gleichzeitig gut und ein wenig nachteilig war, denn ich habe mich einerseits körperlich, klanglich seitdem auf jeden Fall enorm entwickelt, andererseits hoffe ich, dass die Aufnahme dennoch eine Qualität hat, die nicht von meinem Alter abhängig ist. Es ist heute unvorstellbar, dass damals eine riesige Maschine dieses Material geschnitten hat, die komplett deinen kleineren Raum einnahm, so dass jeder Schnitt endgültig war… es sind also nicht zu viele Schnitte darin… Ich denke, dass die Gründlichkeit und Präzision der alten ungarischen Schule, ein eher gesprächiges als ein singendes Spiel, zu hören ist.

HERITAGE ist die CD die am 25.9.2020 erschienen ist. Können Sie uns mehr dazu erzählen?

Die Aufnahme dieses Programms ist seit vielen Jahren ein Traum von mir. Ich nenne das Album ‚Heritage‘, weil diese Kompositionen meine musikalischen Wurzeln sind. Sie machen einen Teil meiner Identität als Musikerin wie auch als Person insgesamt aus. ‚Heritage’ empfinde ich als meine erste CD als erwachsene Künstlerin. Ziel dieser Aufnahme ist nicht allein musikwissenschaftliche Neugier zu wecken, sondern vor allem das Publikum für Stücke und Komponisten zu sensibilisieren, die noch nicht aufgenommen wurden oder selten gespielt werden. Kollegen dazu anzuregen, die hier geforderten Techniken auszuprobieren, vor allem aber den Weg für die Musik ungarischer und siebenbürgischer Komponisten zu ebnen. Ich bin stolz darauf, dass zwei Weltersteinspielungen den Weg auf dieses Album gefunden haben: die Suite für Cello und Kuhglocken von meinem Großvater, Csaba Szabó, und ein Stück ‚The Hilary Jig‘ von György Kurtág. Die Zusammenarbeit mit lebenden Komponisten ist immer etwas Besonderes, Péter Eötvös war sogar bei der Einspielung anwesend. Zu jedem aufgenommenen Stück gibt es eine starke persönliche und berufliche Verbindung, die das gesamte Programm auf dieser CD geprägt hat.

Mit 27 Jahren schon als „Institution“ gelten. Was bringt es mit sich?

Viele glauben, dass man es sich nach dem Gewinn bestimmter Preise leisten kann, so zu spielen, wie man will, da die Preise danach nicht mehr zurückgezogen werden können. Ich glaube aber, je größer die Anerkennung, desto größer die Verantwortung, immer nach bestem Wissen und Gewissen die Bühne betreten zu können. Je mehr man weiß, desto weniger. Wie Professor Kurtág mir sagte: das Ergebnis ist nicht dringend, die Suche ist wichtig.

Wie entstanden die musikalischen Wurzeln und wohin treiben die Blätter?

Die musikalischen Wurzeln stammen aus der Familie. Aber sie leiten sich auf die gleiche Weise von der Sprache, den vielen Volksmärchen und Volksliedern ab, die man unbewusst als Kind aufnimmt. In einem schönen Interview spricht Sándor Végh auch über Sprache und die Bedeutung des Singens in der Kindheit. Ich betrachte mich als eine musikalische Enkelin von Sándor Végh, (da mein Vater mit ihm eng zusammengearbeitet hat) und aber auch von Casals, der einer der Lehrer meines alten Lehrers war. Damals fand mein Cellounterricht im ehemaligen Raum von Popper statt, der Kammermusikunterricht in den Räumen, in denen Bartók, Dohnányi, Weiner und Kodály unterrichteten, und ich spielte meine Prüfungen an Orten, an denen Liszt, Brahms und ihre Zeitgenossen auftraten. Jeder Student, der an der Liszt-Akademie in Budapest studiert hat, kennt die Legende, dass die Meister-Student-Beziehung bis auf Beethoven zurückgeführt werden kann. Aber es reicht nicht aus, stolz auf die schöne Vergangenheit zu sein, man muss das Wissen weitergeben. Ohne Traditionen gibt es keine Zukunft.

Wie sieht ein „normaler Tag“ aus?

Reisen und Konzerte waren normal! … Die stundenlange Arbeit mit Kurtág an einem 55-Sekunden- Stück in der Nacht ist manchmal „normal“ sowie jeden Tag 6 Stunden lang mit Maestro Brendel an den Beethoven Sonaten zu arbeiten, kann eben auch normal sein. Ein idealer Tag für mich ist, wenn ich Yoga mache, die Anzahl der zu schreibenden E-Mails reduzieren kann, konzentriert mit meinem Instrument etwa 4 Stunden arbeite, mit Freunden Ideen austausche, gut esse, und evtl. noch einen schönen Film anschaue.

Was hat sich während der COVID-19 Zeit verändert?

Menschen und ihre Meinungen waren ebenfalls isoliert. Unsicherheit und Angst nehmen zu. Wir müssen über die Rolle der Musiker in der Gesellschaft der Zukunft nachdenken. Menschen haben ein erhöhtes Bedürfnis nach Empathie und Schönheit.

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